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Blogpost Bikesport 06-24

So treten Sie richtig in die Pedale

Worauf aus orthopädischer Sicht bei Radauswahl und -sport zu achten

Sportarten, die man alleine oder ohne aufwändige Vorbereitung betreiben kann, erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit. Insbesondere durch den E-Bike-Boom gibt es einen starken Zuwachs an wieder und neu passionierten Bikern, die sich nun erstmals in anspruchsvolleres Gelände, auf weitere Strecken oder überhaupt wieder aufs Rad wagen. Das gängige Vorurteil gegen die elektrische Unterstützung ist weitestgehend passé.

Wer selbst schon auf dem E-Bike saß, weiß um die Vorzüge des Antriebs. Das gilt auch für diejenigen, die gerne sportlich fahren möchten oder als Profis neue Herausforderungen suchen. Selbst Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter erbringen heute – als Folge ihres gewachsenen Gesundheitsbewusstseins und der rasanten E-Bike-Evolution – radsportliche Leistungen, von denen vorherige Generationen nur träumen können. Und wer selbst nicht radelt, verfolgt den Sport gerne als Zuschauer. Radsportereignisse wie die Tour de France, der Giro d‘Italia oder lokale Rundwandertouren ziehen jährlich Abertausende in ihren Bann.

Gerade diese Events zeigen: Keine Strecke, kein Ziel ohne Schmerz. Auch jenseits des Profiradsports sind die Schattenseiten des Sport- und Bike-Booms zunehmende Verletzungen wie auch somatische und psychische Überlastungssyndrome, die bei stärkerer Ausprägung den Gang zum Sportmediziner unumgänglich machen. Das ist leider kein radsportspezifisches Phänomen. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2019 in den drei höchsten Jugend-Basketball-Ligen Deutschlands zeigte zum Beispiel, dass 2/3 der Spieler regelmäßig Schmerzmedikamente nahmen, nur um leistungsfähig zu sein. Selbst bei Hobby-Sportlern wird eine immer höhere eigene Leistungsanforderung selbstverständlich, die der Körper unter normalen Umständen nicht leisten kann.

Über den Autor: Dr. Jens Stüber ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er ist passionierter Radsportler und als leitender Notarzt mit einem Schwerpunkt auf orthopädisch-unfallchirurgischen Leistungen tätig.

3 Tipps für gesundes Biken

Damit die Sportbegeisterung nicht in dauerhafter Überlastung mündet, sind 3 Tipps zu beherzigen, mit denen der Radsport auch sportlich bleibt.

  • Tipp 1: Die Wahl des geeigneten Fahrradmodells. Was so banal klingt, ist in Wirklichkeit eine Wissenschaft für sich. Der Markt hat sich vor allem in den Jahren seit Beginn der Corona-Pandemie so diversifiziert, dass es eine unüberschaubare Vielzahl hochwertiger Radmarken und -Modelle gibt. Selbst innerhalb der Modellgruppen gibt es eine Fülle von Auswahlmöglichkeiten, z. B. das Rennrad für die reine Straße, das „Gravel Bike“ mit ähnlichem Aufbau für Straße und Gelände, die verschiedensten Mountainbikes für bergauf, bergab, wendige Trails, Funparks und vieles mehr. Sich von mindestens einem Experten beraten zu lassen, empfiehlt sich unbedingt.
  • Tipp 2: Sattel und Lenker richtig einstellen. Ist das richtige Fahrrad gefunden, ist es zwingend notwendig, auf die richtige Sitzposition und Lenkerstellung zu achten. Zu den gängigen Fehlern zählt ein zu niedrig eingestellter Sattel, der zu einer Überlastung des Knie-Streckapparats führt und nach kurzer Zeit in einer Sehnenentzündung resultieren kann. Bei zu hoher Sattelstellung wiederum kippt das Becken bei Treten abwechselnd nach rechts und links, sodass die Bandscheiben überdurchschnittlich belastet werden. So geht’s richtig: Für die richtige Sattelhöhe gibt es die Faustregel, dass die Beine ausgestreckt sein sollten, wenn die Ferse auf dem Pedal in unterster Stellung aufliegt. Die korrekte Lenkerposition ist insbesondere für eine schmerzfreie Rücken-, Hand und Schulterpartie unabdingbar. Beim Händler bzw. in der Werkstatt kann durch Veränderungen des Vorbaus in Länge und Grad eine passende Stellung gefunden werden.

Alleine diese beiden Aspekte zeigen, wie wichtig es ist, sich das Fahrrad spätestens bei der Abholung möglichst ausführlich vom Händler zeigen und auf die eigenen physischen Gegebenheiten anpassen zu lassen. Zu guter Letzt dürfen ein GS-geprüfter Fahrradhelm und geeignete Bike-Kleidung nicht in der Ausstattung fehlen. Spezielle Textilien verhindern ein Überhitzen oder Auskühlen auf längeren Touren oder Fahrten bei besonderen Wetterbedingungen.

  • Tipp 3: Erstmal durchchecken lassen. Bevor die erste ambitionierte Ausfahrt genossen werden kann, sollte eine Vorstellung beim Hausarzt bzw. beim internistischen Sportmediziner erfolgen. Im individuellen Fall ist auch die Konsultation eines Herzspezialisten sinnvoll. In welchem Umfang die medizinische Abklärung erfolgen sollte, ist abhängig vom Alter, dem persönlichen Fitnesszustand und etwaigen Vorerkrankungen oder Beschwerden. Wenn dann alle Zeichen auf Grün stehen, darf munter in die Pedale getreten werden.

Was tun bei bikesport-spezifischen Beschwerden?

Kommt es trotz optimaler Vorbereitung und einem guten Trainingszustand zu Beschwerden, sitzen diese meist in den Gelenken. Häufig sind Überlastungen des muskulo-skeletalen Systems im Kniebereich beheimatet. Bleiben diese Beschwerden trotz Optimierung der Sitzposition bestehen, sollte eine weiterführende orthopädische Untersuchung zur Vermeidung von Gelenkschäden erfolgen. Hierbei besteht neben den gängigen Untersuchungsmethoden die Möglichkeit einer Ultraschall- und Röntgendiagnostik. Für spezielle Beschwerdebilder steht die Kernspintomographie (MRT) zur Verfügung.

Sehnenentzündungen des Knie-Streckapparats sind mit einer Optimierung der Sitzposition, gezielter Dehnung, einer Tape-Anlage sowie topischer, also äußerlich anwendbarer, Medizin gut in den Griff zu bekommen. Alternativ eignen sich Therapiemethoden wie Stoßwellentherapie und die Akupunktur.

Sind Gesäß- und Wirbelsäulenpartien in Mitleidenschaft gezogen und bleiben diese Beschwerden bestehen, sollte eine orthopädische Abklärung erfolgen.

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